Liebe zur Orgel

Gerard Bunk gilt als „einer der ganz großen Orgelkünstler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts“ (so das Standardwerk Handbuch Orgelmusik 2002). Für Bunks ersten Biografen Rudolf Schroeder war das „Orgelspiel in solcher beispiellos gedrängten Fülle wie in Bunks Leben ... nur möglich durch die vom Klavier her in jungen Jahren erworbene Perfektion auf der Tastatur“: Tatsächlich genoss Bunk zuerst in seiner Geburtsstadt Rotterdam, dann in England (angeblich bei Mark Hambourg in London) und zuletzt am Hamburger Konservatorium eine Ausbildung zum Pianisten, der er außerdem zeitlebens blieb. An der Orgel bildete er sich hauptsächlich im Selbststudium aus, durch, wie er selbst sagte, „Zuhören, Abgucken und Nachahmen“. Als 1910 auf Drängen der Sozialdemokraten als erste Veranstaltung des Dortmunder Max-Reger-Fests noch kurzfristig ein „Volks-Konzert“ zu niedrigem Eintrittspreis eingeschoben wurde, schlug die Stunde des Zweiundzwanzigjährigen: Er sprang für Regers gewohnten Interpreten Karl Straube ein, wechselte sich mit Reger an der neuen Walcker-Orgel der St. Reinoldikirche ab und wurde im Anschluss von dem offensichtlich angetanen Komponisten („Der Junge kann was“) als Konservatoriumsdozent empfohlen. Seit 1925 wirkte Gerard Bunk schließlich als Organist an St. Reinoldi und damit an einem berühmten Referenzinstrument der elsässischen Orgelreform um Émile Rupp und Albert Schweitzer. An diesem reich disponierten Instrument (105 Register, die erste Orgel mit fünf Manualen im deutschen Sprachraum) führte er in den Orgel-Feierstunden einen Großteil des damals bekannten Repertoires auf. Von der Presse erhielt er den Beinamen „die lebendige Orgelgeschichte“.

1910 hatte Bunk sein erstes veröffentlichtes Orgelwerk, die Legende op. 29, an Albert Schweitzer nach Straßburg geschickt. Schweitzer würdigte dessen Stil als „eine wirkungsvolle Vereinigung von dem Mendelssohns und dem César Francks“ und lobte besonders „die ruhige und plastische Anlage des Ganzen.“ Spätere Orgelkompositionen sandte Bunk nach Lambarene, wo sich Schweitzer auf seinem Tropenklavier „einen Begriff“ von ihnen machte. Wolfgang Stockmeier, der Bunk für „einen Stil von unverwechselbarer persönlicher Eigenart“ schätzte, beschreibt die besondere Tonsprache am Beispiel der Passacaglia op. 40 (1911): „Bunk bedient sich aller technischen Möglichkeiten der spätromantischen Alterationsharmonik und ist nicht weniger kühn als Reger, doch ist sein Stil nicht so sehr von plötzlichen Eruptionen geprägt und daher klarer und großflächiger.“

Ausdruck von Bunks Beziehung zu dem von ihm bevorzugten Instrument ist der Titel seiner posthum veröffentlichten Lebenserinnerungen: Liebe zur Orgel.

 

Ich war befreundet mit dem damaligen Organisten Gerard Bunk, der ein bedeutender Komponist war ...“
Keiner hat so über Orgelbau und Orgelkunst im Wandel der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts berichtet und das Bild und die Entwicklung festgehalten, wie er es tat.“
Albert Schweitzer